KIRCHLICHE HANDWERKERARBEIT

AKTUELLES VORWEG

Derzeit trifft sich der „Kreis evangelischer Handwerker“ in der Regel am letzten Freitag im Monat ab 19.00 Uhr im Gemeindehaus, Wellinghofer Str. 21.
Ansprechpartner ist Herr Kullik – Tel.: 421010

Aus der Geschichte des Kreises evangelischer Handwerker
Dortmund-Hörde 1872

Zunächst muß gesagt werden, daß der Kreis evangelischer Handwerker Hörde die Tradition des evangelischen Gesellenvereins Hörde 1872 übernommen hat. Wie kam es dazu? Was waren die Gründe, die Ursachen, daß sich vor 100 Jahren evangelische Handwerksmeister und Gesellen zu einer Gruppe, bzw. zu einem Verein zusammenfanden?

Mitte des vorigen Jahrhunderts wird die Zeit des Umbruchs, die der Industriealisierung genannt.

Durch die Errichtung eines Eisenwerks 1839 wurde aus der Kleinstadt Hörde in wenigen Jahren ein Industriezentrum. Die Einwohnerzahlen stiegen. Immer mehr auswärtige Arbeiter und Handwerker fanden in Hörde Arbeit und Brot und hatten damit in Hörde eine neue Heimat gefunden.

Im Jahre 1872 vereinigten sich die bis dahin in Hörde streng getrennten evangelisch-lutherisch und evangelisch-reformierten Gemeinden zur evangelischen Kirchengemeinde Hörde. Vielleicht waren auch dies die äußeren Anlässe, daß sich eine stattliche Anzahl evangelischer Handwerksmeister und Gesellen, die bis dahin Zuflucht und Heimat in dem bereits 1869 gegründeten katholischen Gesellenverein gefunden hatten, nunmehr selbständig machten und den evangelischen Gesellenverein Hörde 1872 gründeten. Der wichtigste Anlaß zur Gründung im Jahre 1872 ist der evangel. Zeitgenosse Kolpings; man war dem Ruf von Pfarrer Johann Hinrich Wichern, dem Vater evg. Gesellenvereine, gefolgt, der bereits in einer Rede im Rahmen des ersten Wittenberger Kirchentages vom 21. ? 23. 9. 1848 über die geistige, charakterliche Bewältigung des Handwerkerschicksals gesprochen hatte.

Die Gründungsfeier, sowie die Zusammenkünfte fanden in Ermangelung gemeindeeigener Gebäude bzw. Räume im Lokal Wortmann statt. Es ist heute der älteste evangelische Gesellenverein in Westfalen.

Veröffentlichungen im Hörder Volksblatt, 8. Januar 1872 und Februar 1872, bringen die Bestätigung. In der evangelischen Gemeindegeschichte von 1899, geschrieben von Pfarrer Vohwinkel, wird berichtet, daß der evangelische Gesellenverein Hörde 1872 im Jahre 1897 sein 25jähriges Jubelfest feierte in Verbindung mit einer Verbandstagung.

Schon 1848 wurde so in München der evangelische Gesellen- und Arbeiterverein gegründet. Es folgten viele Neugründungen. Im Jahre 1894 schlossen sich die Gesellenvereine in Bochum zu einem Verband zusammen, zu dem im Jahre 1933 rund 500 Vereine gehörten.

Nach der Jahrhundertwende ließ in Hörde das Vereinswesen merklich nach. Ab 1910 ruhte auch der evangelische Gesellenverein. Erst im Jahre 1929 wurde in Hörde im evangelischen Gemeindehaus der Gesellenverein zu neuem Leben erweckt.

Der damalige Vorstand setzte sich zusammen aus: 1. Vorsitzender Emil Osterhold; 1. Schriftführer Heinrich Wiemer; 1. Kassierer Hermann Heyr; Altgeselle Eduard Walter. Es herrschte wieder ein reges Vereinsleben. Regelmäßig, jeden Mittwoch, trafen sich Meister und Gesellen im evangelischen Gemeindehaus. Vorträge mit lebhaften Diskussionen, auch anschließend geselliges Beisammensein, füllten die Abende aus. Das Lied kam dabei nie zu kurz. Gemeinsame Sonntagsausflüge mit Frauen und Freundinnen, wobei der Kirchgang nicht vergessen wurde, sind in lebhafter Erinnerung. Besichtigungen, Zunftabende, Weinabende mit Tanz, sowie die jährliche Weihnachtsfeier mit Aufführung eines Theaterstücks durch eigene Theaterabteilung waren ein festes Programm. Gesang- und Schachabteilung gaben willkommene Abwechslungen. Die Lehrlingsabteilung, im Jahre 1931 gegründet, geführt von Dietrich Hager und Walter Pfeiffer, kam einmal in der Woche zusammen. Selbstverständlich nahmen die Lehrlinge auch an den Ausflügen und Besichtigungen teil. Nachstehend nun ein Jahresbericht vom evangelischen Gesellenverein 1872, der in der damaligen Verbandszeitung „Der Gesellenfreund“ Nr. 3, Jahrgang 13 unter der Rubrik Vereinsnachrichten veröffentlicht wurde.

Verein Dortmund-Hörde. Heute, am Schluß des alten und Beginn des neuen Vereinsjahres unseres Gesellenvereins geziemt es sich wohl, einen Rückblick auf das vergangene Jahr zu werfen. Im Jahre 1930 hatten wir 12 ordentliche Mitgliederversammlungen und 12 Vorstandssitzungen. Außerdem fand wöchentlich je eine Zusammenkunft im Gemeindehause statt. Alle Versammlungen zeigten einen guten Besuch, waren doch zeitweilig über 30 Mitglieder anwesend, überhaupt ist unsere Mitgliederbewegung eine ganz erfreuliche. Gegenüber 50 Mitgliedern im Januar hatten wir 69 im Dezember. Es wurden 32 Neuaufnahmen getätigt und 13 Austritte. Unsere Mitglieder setzten sich zusammen aus 34 Meistern und 35 Gesellen, die 23 verschiedenen Berufen angehören. Die Verbandsveranstaltungen wurden von unseren Vertretern besucht.

Der monatlich erscheinende „Gesellenfreund“ berichtet über die Verbandsarbeit. Es wurden von den Mitgliedern des Vereins in den Versammlungen verschiedene Vorträge gehalten. Herr Gewerbeoberlehrer Friebel hielt uns 2 interessante Vorträge über seine Reisen nach dem Kaukasus, Finnisch-Lappland und Schweden und Norwegen. Am Sonntag, dem 23. März fand unser erstes Werbefest statt. Hier haben unsere Freunde mit ihren nächsten Angehörigen einige recht gemütliche Stunden in Handwerkerkreisen verlebt. Herr Pfarrer Goldberg, der Vorsitzende des Verbandes, schilderte uns in seiner Ansprache mit beredten Worten das Verhältnis der Meister und Gesellen in alter und neuer Zeit. ? Sonntag, den 10. August, fand ein Familienausflug zur Feier unseres einjährigen Bestehens statt, der in allen Teilen harmonisch verlief. Recht schön war auch unsere Weihnachtsfeier am 27. Dezember, die bei Kaffee und Kuchen, umrahmt von schönen Darbietungen, einen guten Verlauf nahm. Hier trat auch unsere im Oktober gegründete Gesangsabteilung, unter der Leitung des Herrn Stredike, zum ersten Mal öffentlich auf. Ferner fanden noch verschiedene Besichtigungen statt. So wurde am 21. September der Hauptfriedhof, am 18. Oktober die Druckerei des „Dortmunder General-Anzeigers“ und am 19. November, gemeinsam mit dem Dortmunder Bruderverein, die Reinoldikirche besichtigt. ? In verschiedenen Versammlungen wurden alte Erinnerungen wach. Dank der eifrigen Nachforschungen unseres 1. Vorsitzenden, Herrn Osterhold, erfuhren wir dann, daß unser Gesellenverein bereits am 10. Januar 1872 gegründet wurde und somit wohl einer der ältesten Vereine ist. Wir wollen nun von Herzen wünschen, daß uns das neue Jahr nur Gutes bringen möge und Gott unsere Arbeit segne, zum Wohle unseres deutschen Vaterlandes. ? Fahnenweihe. In den ersten 25 Jahren seines Bestehens trat der Verein oft in den Vordergrund. Dieses währte bis zur 25-Jahrfeier, mit der die Verbandstagung des Verbandes Evangelischer Gesellenvereine, verbunden war. Nach dieser Feier stellte der evangelische Gesellenverein Hörde allmählich seine Tätigkeit ein.

Im Jahre 1929, also nach etwa 30 Jahren wurde der Verein wieder aus der Taufe gehoben. Leider aber war die Fahne des alten Vereins auf Umwegen in den Besitz eines kirchlichen Jugendvereins geraten. Dieser Verein ließ von der Fahne die Vorderseite entfernen und sie durch eine andere, mit dem Abzeichen des betr. Vereins versehene Seite ersetzen. Den Bemühungen des jetzigen Vereins, insbesondere seines 1. Vorsitzenden, Herrn Schreinermeister Osterhold, war es nach langer Zeit endlich gelungen, die Fahne wieder in den Besitz des Vereins zu bringen. Die Fahne wurde von Künstlerhand mit einer neuen Vorderseite, die das Symbol des Verbandes Evangelischer Gesellenvereine trägt, versehen. Diese Fahne neu zu weihen, fand dann am 1. Februar die Fahnenweihe statt. Die Feier wurde eingeleitet durch einen Festgottesdienst in der Lutherkirche. Vorher ging es im Festzuge an dem 18 Brudervereine von nahe und fern, teilweise mit ihren Fahnen, teilnahmen, vom evangelischen Gemeindehaus zur Lutherkirche. Begrüßenswert war es, daß auch die 2 katholischen Gesellenvereine unserer Stadt ihre Fahnendeputation sowie zirka 75 Mitglieder zu dieser Feier entsandt hatten. Auch die Hörder Innungen und die kirchlichen Vereine unserer Gemeinde haben es sich nicht nehmen lassen, ihre Fahnen und Mitglieder zu dies’er Feier zu entsenden. Pfarrer Hochdahl hielt die Festpredigt unter Zugrundelegung der Epistel Pauli an die Kolosser 3, 22. Es folgte die Weihe der Fahne.

Die am Altar Aufstellung genommenen Fahnen senkten sich über die zu weihende Fahne, die sodann von Pfarrer Hochdahl mit dem Lutherwort: „Alle Arbeit sei dir ein Gottesdienst; halte dem erwählten Zeichen des Kreuzes die Treue, und alles was du tuest das tue von Herzen dem Herrn und nicht den Menschen“ ihrer Bestimmung übergeben wurde. ? Die Musikvorträge des Abends wurden von einem Hörder Quintett bestritten. Nach einem, vom Verfasser Hugo Pfaff vorgetragenen Prolog, nahm der 1. Vorsitzende, Herr Osterhold das Wort zu seiner Begrüßungsrede. Er begrüßte die erschienenen Vertreter der Innungen sowie die Brudervereine. Dem Presbyterium, in Sonderheit Herrn Pfarrer Hochdahl, dankte er für die Mithilfe am guten Gelingen der Feier. Er wies darauf hin, daß Berufsfreudigkeit, Berufsstolz und Handwerkerehre im evangelischen Gesellenverein hochgehalten werden. Syndikus Dr. Unshelm entbot dem Verein Namens des Innungsausschusses herzlichen Glückwunsch des Handwerks. Er gab dem Wunsche Ausdruck, daß in gemeinsamer Arbeit des Gesellenvereins mit den Innungen ein Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit geschaffen werden möge. Pfarrer Goldberg als Verbandsvorsitzender hielt dann die Festrede. Er gab einen Rückblick aus der Geschichte des Vereins und der Gründung des Verbandes im Jahre 1894. Er wies darauf hin, daß man, je ernster die Zeit, desto mehr des fröhlichen Gottvertrauens bedürfe und brachte dem Verein die Glückwünsche des Verbandes dar. Zum Schluß seiner Ausführungen wünscht er dem Verein, daß die heute geweihte Fahne alle Zeit treue Anhänger finden möge. Nach dem Absingen des Gsellenliedes schloß sich de gesellige Teil an; u. a. erfreute die Turnabteilung des Dortmunder Brudervereins die Festteilnehmer durch Vorführungen einiger Barrenübungen, die mit einer Pyramide ihren Abschluß fanden.

Im November 1935 mußten auf Befehl der damaligen Regierung die Gesellenvereine aufgelöst werden. Im Protokoll des Presbyteriums der Kirchengemeinde fand das seinen Niederschlag.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde erst 1951 durch die Initiative des Dachdeckermeisters Heinrich Müller der Wunsch laut, den alten Verein wieder aufleben zu lassen. Leider fand in der vereinsmüden und vereinsfeindlichen Zeit dieser Gedanke zuerst wenig Widerhall. ? In einer Tischrunde des evangelischen Gemeindehauses wurden eines Tages nach vielen vorangegange nen Diskussionen die Namen der ehemaligen Mitglieder listenmäßig erfaßt und mit Hilfe des Gemeindeamtsbüros unter Herrn Minkler zu einer Zusammenkunft eingeladen. Auch die Pfarrer der Gemeinde, der Kirchmeister (später Ehrenmitglied) und als Referent der leider viel zu früh verstorbene Pfarrer Herbers, Dortmund, waren zu dieser Versammlung gebeten worden. Es wurde viel von der Gemeindeleitung aus vermeintlichem Konkurrenzdenken gegen eine Neuauflebung eines Vereins neben der kirchlichen Männerarbeit gesagt. Doch waren die ersten Interessen unter den Handwerkernwach geworden, ja mehr, es wurde geradezu die Notwendigkeit einer Hilfe von christlicher Seite für die zum größten Teil alleinstehenden Handwerker gefordert. Diskriminierungen der Meister, sie suchten nur neue Verdienstmöglichkeiten, konnten durch selbstlose Spenden für Wiederaufbauzwecke widerlegt werden.

Erst durch den tatkräftigen Einsatz von Pfarrer Hans Günther Jansen, selbst Handwerkersohn, jetziger Vereins- und Verbandspräses, war die ordentliche Wiedergründung mit Wahl eines Vorstandes am 23. November 1956 möglich; Der Vorstand: Präses Pfr. Jansen, 1. Vors. Walter Lategahn; 2. Vors. Heinrich Müller; 1. Schriftf. Robert Koch, 2. Schriftf. Otto Knothe; 1. Kassierer Walter Knieling; 2. Kassierer Richard Suttrop.

Anknüpfend an die Tradition des Gesellenvereines nannte man sich jetzt Kreis evangelischer Handwerker Hörde 1872.

Heute nach 20 Jahren der ersten Wiedergründungsversuche haben wir leider den Verlust einer großen Zahl treuer Mitglieder zu beklagen. Auf den Seiten 38,und 41 dieser Festschrift finden wir ihre Namen verzeichnet, um ihnen dort eine besondere Ehrung zuteil werden zulassen.

Unter diesen Verstorbenen sind folgende Vorstandsmitglieder: Emil Osterhold, 1. Vors. 1929?1935, Walter Lategahn, 1. Vors. 1956?1964, Walter Knieling, 1. Kassierer 1956?1965, Bernhard Adams, 1. Vors. 1966?1970. Alle verstorbenen Freunde haben sich für den Kreis evangelischer Handwerker eingesetzt und verdient gemacht. Wir werden sie in steter Erinnerung behalten. Als äußeres Zeichen des Gedenkens findet in jedem Jahr durch die Mitglieder des Vereins eine Friedhofsbegehung statt. Auf jeder Gruft der Verstorbenen wird ein Blumengebinde niedergelegt.

Nach dem Tode des 1. Vorsitzenden Bernhard Adams hatte Freund Knauer den Vorsitz.

Jetziger Vorstand: Präses Pfarrer Jansen, 1. Vorsitzender Alfred Wilking, 2. Vorsitzender Heinz Hager, 1. Schriftführer Robert Koch, 2. Schriftführer Werner Knauer, 1. Kassierer Heinrich Tewes, 2. Kassierer Heinz Sanio. Was wurde seit der Wiedergründung des Kreises evangelischer Handwerker geleistet und wie spielt sich das Vereinsleben ab? Die Mitgliederzahl beträgt zur Zeit über 50. Monatlich ist eine Zusammenkunft im evangelischen Gemeindehaus. Die Abende werden gestaltet durch aktuelle Vorträge, Ansprache und gemütliches Beisammensein. Im Laufe des Jahres kommen dazu ein Tanzabend, ein zweitägiger Ausflug, eine Weihnachtsfeier, in den letzten Jahren in Gemeinschaft mit den Kolpingsfamilien von der Stiftsgemeinde und Herz Jesu. Verbilligte Studienfahrten (Moskau, Berlin, Israel) haben in den letzten Jahren großen Anklang gefunden.

Die dort gemachten Aufnahmen und Filme ließen bei den Vorführungen alle an den Erlebnissen teilnehmen. Auch in sozialer Hinsicht ist der Kreis immer wieder, besonders zur Weihnachtszeit, tätig. Für die Kirchengemeinde wurden durch namhafte Spenden Aufbauhilfen bereitgestellt. Die Kirchenfenster der Lutherkirche und der Christuskorpus im Altarraum, die Weihnachtskrippe wurden von den evangelischen Handwerkern freudig gespendet. Unter Verzicht einer neuen Vereinsfahne (die alte ging durch Kriegseinwirkung verloren) wird zum 100-jährigen Vereinsjubiläum eine handwerklich besonders kunstvoll in Leder erstellte Altarbibel für die Lutherkirche gestiftet.

Die Zusammenarbeit in der Kirchengemeinde und darüber hinaus, selbstverständlich mit den Brudervereinen, mit der Handwerkskammer in Dortmund in einer Arbeitsgemeinschaft „Kirche und Handwerk“, mit der EAB (Evangelische Arbeitnehmerbewegung), mit der Männerarbeit und mit dem Kolpingswerk ist trotz aller anfänglichen Besorgnis so hoffnungsvoll und auch für zukünftige Aufgaben so notwendig geworden, daß der Kreis evangelischer Handwerker gefestigt und freudig ins zweite Jahrhundert den Weg nehmen kann.

Es gilt unser alter Gruß:
„Gott segne das ehrbare Handwerk.“

Walter Pfeiffer, „100 jahre kirchliche Handwerkerarbeit in Westfalen“